Träger Darm: Schluss mit den Legenden!

Gemüse und Obst sind die Grundlage einer Basenkur.

Über Verstopfung und ihre Lösung halten sich verschiedene Legenden. Professor Dr. med. Stefan Müller-Lissner, Leiter der Fachabteilung Innere Medizin der Park-Klinik Weißensee, Berlin, ist damit unzufrieden. Auf der Suche nach Fakten hat er über 100 wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema unter die Lupe genommen. Im Gespräch mit der »Neuen Apotheken Illustrierten« nennt er einige seiner Erkenntnisse.

Wie oft sollte der Mensch Stuhlgang haben?

Es gibt keinen medizinischen Grund für eine bestimmte Häufigkeit bei der Darmentleerung. Die Verstopfung äußert sich über Beschwerden wie Völlegefühl und harten Stuhl mit heftigem Pressen. Deshalb definieren wir sie über diese Symptome. Eine niedrige Stuhlfrequenz als solche ist bedeutungslos und bedarf keiner Behandlung.

Ist ein träger Darm die Folge falscher Ernährung oder von Vererbung?

Durch eine niedrige Ballaststoffzufuhr, also z.B. zu wenig Vollkornprodukte, sinkt das Stuhlgewicht. Er braucht länger, um den Darm zu passieren. Bei Menschen mit entsprechender Veranlagung erzeugt dies eine Verstopfung. Mit geeigneten Ballaststoffen behandeln Sie dies gut.

Bei vielen Verstopften liegt eine andere Ursache vor. Solche Patienten mit langsamer Darmtätigkeit oder gestörter Stuhlentleerung sprechen schlechter auf Ballaststoffe an. Insgesamt ist die Ballaststofftherapie bei Verstopfung mäßig erfolgreich. Ein Versuch sollte aber stets am Anfang der Behandlung stehen.

Welche Ursache meinen Sie?

Auf diese Frage gibt es keine befriedigende Antwort. Bei den wenigsten Patienten finden wir eine Erklärung. Meist handelt es sich um eine Funktionsstörung des Nervensystems im Darm. Hormone spielen eine untergeordnete Rolle. Bei Schwangeren finden wir jedoch eine hormonell bedingte Verzögerung der Darmbewegungen.

Fördert viel trinken die Darmtätigkeit?

Nein. Vorausgesetzt, Sie trinken den normalen Tagesbedarf von ein bis anderthalb Liter. Oft begegnen wir der Behauptung, eine Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr sei günstig. Verstopfte trinken weder weniger als andere Menschen, noch bessert eine Steigerung der Trinkmenge über 1 bis 1,5 Liter pro Tag die Verstopfung.

Hat chronische Verstopfung negativen Einfluss auf den Körper?

Die Behauptung, eine sehr lange Verweildauer des Stuhls im Darm sei schädlich, weil Giftstoffe aus dem Stuhl in den Körper gelangen könnten, entbehrt jeder Grundlage.

Welche Folgen hat ein längerfristiger Gebrauch von Abführmitteln?

Eine Selbstbehandlung mit Abführmitteln ist weit verbreitet. Oft ist sie nicht nötig. Gegen einen maßvollen Einsatz bei der chronischen Verstopfung spricht nichts, weil es keine Alternativen dazu gibt. Nebenwirkungen der genannten Abführmittel wie vermehrter Wasser- und Mineralstoffverlust sind nur bei Überdosierung zu erwarten.

Bei der im Beipackzettel der Präparate vorgesehenen Dosierung treten sie nicht auf. Ein erhöhtes Darmkrebsrisiko durch diese Mittel hat die Forschung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht nachgewiesen.

Führt die Einnahme darmstimulierender Abführmittel zur Gewöhnung?

Nein. Bei manchen Menschen mit schwerer Verstopfung kommt es zu einem Wirkungsverlust bei wiederholter Einnahme. Dabei handelt es sich um Ausnahmen. Von Querschnittsgelähmten gibt es Erfahrungen über Jahrzehnte. Sie zeigen: Die Gabe über einen so langen Zeitraum führt nicht zur Gewöhnung.

Helfen Abführmittel beim Abnehmen?

Nein. Selbst wenn wir die Mittel in einer Dosis bis zum Durchfall einnehmen, erzwingen wir nur über den Wasserverlust eine vorübergehende Gewichtsabnahme. Die gleicht der Körper wieder aus. Eine echte Gewichtsabnahme durch Abbau von Körperfett erreichen wir dadurch nicht.

Welche Art der Ernährung fördert eine gute Verdauung?

Leider gibt es für Menschen mit Verstopfung kein Patentrezept. Übergehen sie den morgens nach dem Frühstück auftretenden Stuhldrang nicht und unterdrücken Sie ihn nicht. Das heißt: Organisieren Sie Ihren Tagesablauf entsprechend. Unternehmen Sie bei trägem Darm einen Versuch mit Ballaststoffen, ehe Sie zu Abführmitteln greifen. Wichtig: Es ist kein Grund zur Sorge, haben Sie nur alle paar Tage Stuhlgang.

Quelle: Neue Apotheken Illustrierte vom 1. Mai 2005

Foto: © monticellllo – Fotolia.com