Fitness: Richtig dehnen – so geht’s

Eine Frau macht Dehnübungen

Lange galt: Kein Sport ohne vorherige Dehnübungen. Dehnübungen halten die Muskeln geschmeidig und beugen Muskelkater und Verletzungen vor. Dann zeigten Studien: Es bringt nichts, die Mühe können Sie sich sparen. Was stimmt nun?

Der Zeitgeist verändert die sportlichen Gepflogenheiten

Schwunggymnastik hießen die Dehnübungen früher. Dabei wippte man zum Beispiel den Oberkörper mit durchgestreckten Knien so lange nach unten, bis die Finger den Boden erreichten. Falsch, hieß es in den 80er Jahren: Das Wippen verursacht Muskelzerrungen.

Stattdessen wurde Stretching (engl. Strecken) propagiert: Stretching bezeichnet das Strecken und Beugen einzelner Körperteile bis an die Schmerzgrenze. Dabei verharrt man sekundenlang in der Extremposition, um die Beweglichkeit der Gelenke zu verbessern. Bald galt dieses „passive Dehnen“ oder Stretching ebenso nach dem Sport als unverzichtbar. Seit den 90er Jahren darf man bei den Übungen wieder ein bisschen nachfedern: „Dynamisches Dehnen“ heißt das jetzt.

Doch eine australische Studie aus dem Jahr 2002 verunsicherte eifrige Fitnessfans: Dehnübungen sollen weder Muskelkater noch Verletzungen verhindern, lautete die Botschaft. Sportwissenschaftler kritisieren diese Aussagen, weil die Daten der Studie nicht repräsentativ sind.

Sie sind sich einig: Dehnen verbessert die Beweglichkeit der Gelenke, wenn man es richtig macht. Vorsicht: Den Muskelkater können die Übungen nicht verhindern – sie verschlimmern ihn bei unsachgemäßer Ausführung sogar.

Aufwärmen oder Dehnen?

Prinzipiell gilt: Eine Aufwärmphase ist vor jeder sportlichen Betätigung sinnvoll. Sie bringt den Kreislauf in Schwung und bereitet den Geist ebenso wie Muskeln und Gelenke auf die Anstrengung vor. Dadurch verringert sich die Verletzungsgefahr. Einen Ausgleichssport wie Joggen oder Radfahren sollten Sie deshalb in den ersten Minuten ruhig angehen. Steigern Sie erst allmählich das Tempo. Spezielle Dehnübungen sind vorher jedoch nicht nötig.

Belastungssportarten wie Tennis, Badminton, Fußball oder Jazztanz erfordern dagegen viel Beweglichkeit. Hier ist das Aufwärmen der Muskulatur sehr wichtig. Profis laufen sich warm. Hüpfen und kurzes „dynamisches“ Dehnen aktivieren dann die Muskulatur. Die für die Sportart wichtigen Muskeln dehnt man vor dem Sport nur kurz, bis es zieht, und hält die Dehnung nur einige Sekunden. Wer ein gut ausgeprägtes Körpergefühl hat, kann mit kleinen Mikrobewegungen nachfedern.

„Cool down“ nach dem Sport

Entspanntes „Auslaufen“ mit kleinen Lockerungsübungen versetzt den Körper beim Joggen allmählich wieder in den normalen Betriebsmodus (cool down = engl. Abkühlen). Erst nach dem Laufen werden die Oberschenkel- und Wadenmuskeln gedehnt, ebenso die Brust- und Nackenmuskeln. Denn durch die sportliche Beanspruchung haben sich die Muskeln zusammengezogen und verkürzt.

Das Dehnen sorgt für den Ausgleich und gute Durchblutung. Dabei werden die „Abfallprodukte“ des vom Training angeheizten Stoffwechsels besser abtransportiert. So kann sich der Körper besser regenerieren, und die Muskulatur entspannt sich. Generell gilt: Je anstrengender der Sport war, desto sanfter sollte hinterher gedehnt werden: nicht länger als maximal zehn Sekunden in den einzelnen Positionen.

Der Grund: Durch das Training sind in der Muskulatur feine Faserrisse entstanden, die sich durch extremes Stretching vergrößern und Muskelkater verursachen. Wer einen Muskelkater hat, sollte deshalb auf das Stretching verzichten. Nach extremen Anstrengungen wie einem Marathonlauf braucht der erschöpfte Körper ebenso Ruhe. Gedehnt wird später.

Beim Dehnen sollten Sie dies beachten:

  • Muskeln nur so weit dehnen, bis Sie ein leichtes Ziehen spüren. Die Elastizität verbessert sich mit der Zeit von selbst.
  • Nicht die Schmerzgrenze überschreiten: An manchen Tagen ist die Beweglichkeit besser als an anderen. Gehen Sie dagegen nicht mit falschem Ehrgeiz an.
  • Verharren Sie in der passiven Dehnposition zwischen 10 bis 30 Sekunden. Vor dem Training nur kurz dehnen und leicht nachfedern.
  • Halten Sie während der Übungen nicht die Luft an. Atmen Sie ruhig und regelmäßig weiter.
  • Dehnen Sie immer beide Körperseiten und fangen Sie rechts an.

Die richtige Auswahl der Stretchingübungen berücksichtigt vor allem beanspruchte Muskelgruppen: beim Joggen z. B. die Beine. Brust-, Schultergürtel- und Rückenmuskulatur neigen ebenso immer zu Verspannungen und sind für Stretching dankbar.

Dehnen hält jung

Dehnen ist mehr als ein Begleitprogramm zum Sport. Dass es als Soloprogramm die körperliche Elastizität bemerkenswert verbessert, beweisen zum Beispiel die jahrtausendealten Yogaübungen. Sie bestehen zum guten Teil aus ausgeklügelten Dehnübungen mit ausgezeichneten gesundheitlichen Effekten. Denn körperliche Fitness ist mehr als die Fähigkeit, fünf Kilometer am Stück zu laufen.

Die Verbesserung der Beweglichkeit zeigt sich in jugendlichen, elastischen Bewegungen und einer größeren körperlichen Belastbarkeit. Dabei bauen wir ständig Dehnübungen in unseren Alltag ein, ohne es zu registrieren: Wenn wir herzhaft gähnen, wenn wir nach langem Sitzen den Rücken und die Arme strecken oder nach einer anstrengenden Autofahrt die Füße vertreten wollen, sind das alles instinktive Ausgleichsübungen für die Muskulatur.

Wir können sie bewusst erweitern und verstärkt in den Alltag einbauen. Das nötige Know-how vermitteln Fitness-Studios und Volkshochschulkurse. Wenn sie unter fachkundiger Leitung stattfinden, übernehmen die Krankenkassen oftmals einen Teil der Kosten.

Einsteigerprogramm für zu Hause

  • Kniebeugen-Stretching: Auf den Rücken legen und ein Bein gestreckt anheben. Das Bein am Oberschenkel kurz unterhalb der Kniekehle festhalten und langsam zum Körper ziehen. So weit, bis Sie ein leichtes, angenehmes Ziehen auf der Oberschenkelrückseite spüren. Die Hüfte dabei nicht nach außen drehen und den Rücken gerade halten. Seiten wechseln.
  • Hüftbeugen-Stretching: Machen Sie einen Ausfallschritt nach vorn. Mit den Händen auf das vordere Knie stützen. Die Hüfte so weit nach vorne/unten schieben, bis ein leichtes Ziehen an der Hüfte zu spüren ist. Die Hüfte dabei nicht nach außen drehen, sondern gerade nach vorn schieben, den Rücken gerade halten. Seiten wechseln.
  • Brustmuskel-Stretching: Im Schneidersitz hinsetzen, mit den Händen ein Springseil, Gürtel oder Schal greifen. Die Hände gestreckt nach oben hinter den Kopf führen. Den Rücken aufrecht halten.

Der Wohlfühl-Effekt kommt beim regelmäßigen Üben zwei- bis dreimal pro Woche.

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