Intensivmedizin: Künstliches Koma – ein Kunstgriff zur Heilung

Die Langzeitnarkose soll den Körper entlasten und die Behandlung erleichtern.

Das Wort Koma kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „tiefer Schlaf“. Bei Unfallverletzungen oder lebensbedrohlichen Erkrankungen können Ärzte den Patienten in einen Medikamentenschlaf versetzen. Die Langzeitnarkose soll den Körper entlasten und die Behandlung erleichtern.

Koma als Schutzreaktion

Nach einem schweren Autounfall verlieren Beteiligte oft das Bewusstsein – eine Schutzreaktion des Körpers. Denn gravierende Verletzungen stürzen den menschlichen Organismus in die Krise: Alle körpereigenen Abwehr- und Reparatursysteme sind auf Alarmstufe 1 geschaltet und befinden sich in höchstem Stress.

Wie bei einer Naturkatastrophe können sich die Rettungsmannschaften dabei gegenseitig behindern. Um mit den extremen Anforderungen fertig zu werden, verpasst der menschliche Organismus sich selbst eine Narkose. Er knipst das störende Bewusstsein aus: So nehmen Betroffene heftige Schmerzen und Todesangst vorübergehend nicht mehr wahr. Das verhindert Fehlreaktionen.

Körperfunktionen werden gesteuert

13923-1-1Das künstliche Koma erfüllt eine ähnliche Aufgabe. Nur übernehmen jetzt Ärzte die Regie und führen durch verschiedene Medikamente einen Zustand tiefer Bewusstlosigkeit herbei. Diesen Zustand regulieren und kontrollieren sie rund um die Uhr. Die Langzeitnarkose soll vor allem den Schmerz ausschalten. Der Grund: Bei Rippenbrüchen zum Beispiel atmen Schwerverletzte nicht tief genug, um Schmerzen zu vermeiden.

Dadurch bekommt der Körper nicht genügend Sauerstoff und erleidet weitere Schäden. Je nach Art der Erkrankung und dem Zustand des Patienten halten die Ärzte den Medikamentenschlaf in unterschiedlicher Tiefe und Dauer aufrecht. Das können einige Stunden, Tage oder Wochen sein.

Kühlung im Tiefstkoma

Bei größeren Schlaganfällen und Schädeltraumata ist die mangelnde Sauerstoffversorgung ebenfalls ein Problem. Wie andere verletzte Körperregionen schwillt ebenso das Gehirn an. Nur hat es unter der Schädeldecke nicht genug Platz. Durch den zunehmenden Druck werden Blutgefäße eingeklemmt, die für die Sauerstoffversorgung der obersten Schaltzentrale verantwortlich sind. Ohne Sauerstoff sterben die hochempfindlichen grauen Zellen nach kurzer Zeit ab – mit schweren Folgeschäden.

Deshalb kühlt man Patienten auf eine Körpertemperatur von 32 bis 34 Grad Celsius herunter, um den Stoffwechsel zu verlangsamen. Durch den geringeren Stoffwechsel benötigt das Gehirn weniger Sauerstoff, damit sinkt das Risiko bleibender Schäden. Die niedrige Körpertemperatur kann man allerdings nur im künstlichen Koma aushalten.

Eingeschränkte Wahrnehmung

Für die Intensivmedizin ist das künstliche Koma heute ein Standardeingriff in vielen Krisensituationen. Wie bei einer Narkose stellen die Ärzte die Schlaftiefe und den Grad der Muskelentspannung über Medikamente ein und überwachen ihn auf der Intensivstation. Je nach körperlicher Verfassung des Patienten versuchen die Ärzte, die Schlaftiefe geringer als bei einer Vollnarkose zu halten.

Dazu gehört ebenso, ihn ab und zu fast aufwachen zu lassen, um seinen Tag- und Nachtrhythmus aufrechtzuerhalten. Menschen im künstlichen Koma nehmen oft noch Stimmen und Berührungen wahr, so dass man mit ihnen bei der Behandlung normal spricht. Weil die starke Medikation viele natürliche Reflexe unterdrückt, beatmen die Ärzte die Patienten oft künstlich. Darüber hinaus ernähren sie sie über eine Magensonde mit Spezialnahrung oder intravenös.

Rückkehr ins Bewusstsein

Risiken und Nebenwirkungen des künstlichen Komas halten Fachleute für eher gering, zumal die Ärzte es oft erst dann einleiten, wenn andere Behandlungsmethoden versagt haben. Das lange Liegen begünstigt Thrombosen und Infektionen, deswegen versuchen Intensivmediziner es auf maximal fünf Tage zu beschränken. Das Hauptproblem besteht darin, dass alle Regelsysteme des Körpers nach dem Erwachen wieder ihren normalen Betrieb aufnehmen müssen.

Deswegen setzt man die Medikamente nicht sofort ab, sondern reduziert sie langsam, damit sich der Organismus an das eigenständige Funktionieren gewöhnen kann. Die Erinnerung kommt erst allmählich wieder. In den ersten Stunden oder Tagen haben manche Patienten noch Halluzinationen, die von den Medikamenten herrühren. Bald verschwinden sie allerdings völlig.

Was ist ein „echtes Koma“

Anders als beim künstlichen Koma kann man Dauer und Tiefe des „echten“ Komas nicht beeinflussen. In diesem lebensgefährlichen Zustand lässt sich ein Mensch durch stärkste äußere Reize nicht aufwecken. „Ein Koma ist die niedrigste Bewusstseinsebene des Gehirns. Es stellt die letzte Stufe vor dem Tod dar“, erklärt Mihai Dimancescu, Vorsitzender der US-Organisation Coma Recovery Association in Bild der Wissenschaft.

Quelle: Ratgeber aus Ihrer Apotheke

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Foto Artikel: Gothaer