So gefährlich ist unser Essen: 125 Lebensmittel im E-Test

Wir wissen oft nicht, welche Zusatzstoffe sich in Lebensmittel verbergen.

Zusatzstoffe – das klingt harmlos. Sie verstärken den Geschmack, machen das Essen haltbarer – und stehen im Verdacht, Krebs zu erregen, Allergie, Alzheimer oder Osteoporose auszulösen. Das plus Magazin recherchierte, sprach über die E-Nummern mit Ärzten sowie Verbraucherschützern. Das Ergebnis: Viele Zusatzstoffe sind gefährlicher, als wir dachten.

Rätselhafte Codes stehen auf unseren Lebensmitteln: E 331, 339 und 341 im Schmelzkäse, Mono-Natrium-Glutamat im Hühnerfrikassee, Phosphorsäure in der Fleischwurst. Natürlich hört sich das nicht an und doch steht es im Supermarkt in den Regalen und gilt als Nahrungsmittel . 70 % der Verbraucher verzichten daher am liebsten auf Zusatzstoffe in Lebensmitteln. Sie misstrauen den Nummern und Namen.

Wofür steht das E?

Das „E“ steht für ein einfaches Wort: Essbar. 318 essbare Zusatzstoffe hat die EU für Lebensmittel zugelassen. Hinzu kommen mehrere tausend Substanzen ohne E-Deklarierung. Allen gemein ist: Sie gelten in den Augen der Behörden als harmlos. Daran zweifeln Experten. In ihrem Ratgeber „Was bedeuten die E-Nummern“ rät die Verbraucherzentrale bei 88 Zusatzstoffen, diese „nicht häufig zu verzehren“. Von 10 Zusatzstoffen raten die Ernährungsexperten ab. Einige Beispiele:

  • Süßstoffe (E 950–952, 954, 957) stehen im dringenden Verdacht, Übergewicht zu fördern Auch über ein erhöhtes Risiko für Krebs diskutieren Fachkreise.
  • Schwefel-Dioxid und Sulfite (E 220–223) – als Konservierungsmittel in Wein,Trockenfrüchten und Kartoffelpüree eingesetzt – können u. a. Migräne, Kopfschmerzen und Asthma auslösen.
  • Nitrate und Nitrite (E 210–213) machen Wurst- und Fleischwaren lange haltbar. Sie stehen im dringenden Verdacht, das Krebsrisiko zu erhöhen.
  • Zitronensäure und Citrate (E 330–333), häufige Geschmacksstoffe in Limonaden und Süßigkeiten, greifen in hohen Dosen den Zahnschmelz an.
  • Phosphorsäure und Phosphate (u. a. E 338–341) führen bei häufigem Verzehr zu Knochenschwund.

Der tausendfach eingesetzte Geschmacksverstärker Glutamat soll Alzheimer fördern. „Glutamat wirkt auf Nervenzellen wie Gift“, sagt Professor Konrad Beyreuther, einer der führenden Alzheimer-Forscher in Deutschland. In keinem herzhaften Fertiggericht fehlt dieser Geschmacksverstärker. Auch in Tütensuppen, Würzmischungen, Fertigsossen und Wurst ist er enthalten.

Alzheimer-Gefahr durch Glutamat

Normalerweise gelangt Glutamat nicht vom Blut ins Gehirn. „Bei Alzheimer ist diese Blut-Hirn-Schranke gestört“, erklärt Professor Beyreuther. Wissenschaftler befürchten eine Beschleunigung des Alzheimer-Fortschritts durch Glutamat. Die Experten raten: Meiden Sie Lebensmittel mit dem Zusatzstoff Glutamat sowie natürliche Glutamat-Quellen. Dazu zählen Parmesankäse und Sojasoße.

Süßstoffe schaden mehr, als sie nutzen: Statt beim Abnehmen zu helfen, machen sie die Menschen dicker. Eine Studie mit rund 80.000 Frauen in den USA belegt: Benutzer von Süßstoff nehmen innerhalb von einem Jahr ein Kilogramm mehr zu als andere Menschen. Das Ergebnis verwundert nicht. Schließlich mischen die Produzenten von Futtermitteln Süßstoffe ins Schweinefutter. Effekt: Die Tiere essen mehr und nehmen schneller zu.

Krebsgefahr durch Süßstoffe

Schwerer wiegt dieser Verdacht: Die Süßstoffe Aspartam, Cyclamat und Saccharin erhöhen das Krebsrisiko. „Dafür gibt es keine Belege“, sagt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). „In den üblichen Mengen verzehrt sind alle in der EU zugelassenen Süßstoffe sicher.“ In den USA ist Cyclamat seit Jahrzehnten verboten. Zu Beginn der 70er-Jahre zeigten Versuche mit Ratten: Hohe Dosen erhöhen das Risiko für Blasenkrebs.

Bis heute ist für US-Experten dieser Krebs-Verdacht nicht widerlegt und Cyclamat bleibt in den USA verboten. Das Beispiel Süßstoffe ist exemplarisch für die gesamte Zusatzstoff-Diskussion. Was für die einen Experten als ungefährlich gilt, ist für andere Fachleute verdächtig. Kein Wunder, dass Verbraucher verunsichert sind.

Zweifelhafte Zulassungen

Mehr Vertrauen fassen sie auch nicht, sehen sie sich die Zulassungspraktiken bei den Zusatzstoffen an. Die Hersteller müssen den Behörden, beispielsweise in Deutschland dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), nachweisen, dass ihr Zusatzstoff unbedenklich ist. Das geschieht mit Tierversuchen. Die sind nicht exakt auf Menschen übertragbar. Das Problem ist dem BfR bewusst:

„Deshalb schauen wir im Tierversuch, bis zu welcher Dosis keine unerwünschten Wirkungen auftreten“, erklärt Jürgen Kundke vom Bundesinstitut für Risikobewertung. „Und diese Zahl teilen wir durch 100, um die Unterschiede zwischen Mensch und Tier zu berücksichtigen“, so Kundke. „Liegen nicht genügend Daten vor, wählen wir einen größeren Sicherheitsfaktor. Das Ergebnis ist die akzeptable tägliche Aufnahmemenge für Menschen, ein Leben lang.“

Unrealistische Prüfverfahren

Das bezweifeln Kritiker vehement. „Dieses Prüfverfahren ist unrealistisch“, sagt der Lebensmittel-Chemiker Udo Pollmer. „Damit können Sie nicht nachweisen, ob die Zusatzstoffe ungefährlich sind.“ Udo Pollmer bemängelt:

  • Möglicherweise schaden die Zusatzstoffe erst bei jahrzehntelanger Aufnahme.
  • Zusatzstoffe können sich gegenseitig beeinflussen und sich in ihren schädlichen Wirkungen verstärken.
  • Der Zusatzstoff selbst ist unter den Bedingungen des Versuchs zwar harmlos, aber in einem Lebensmittel entwickelt er schädliches Potenzial.

Letzteres trifft auf künstlich zugesetztes Vitamin C zu. Das ist in vielen fertigen Brot-Backmischungen enthalten, damit der angerührte Teig geschmeidig bleibt und nicht klebt. Beim Backen wandelt sich das Vitamin durch die hohen Temperaturen in Threonsäure um. Diese Substanz raubt dem Körper Vitamin C .

Trügerisches Brot

Pollmer sieht weitere Probleme. „Die Hersteller geben Zusatzstoffe zur schnelleren Verarbeitung in die Lebensmittel Dadurch gehen Arbeitsschritte verloren. Sie entscheiden darüer, ob ein Nahrungsmittel gesund ist. Wieder bietet das Grundnahrungsmittel Brot ein gutes Beispiel. Früher hatte jeder Bäcker sein eigenes Geheimrezept, z.B. für Sauerteig. Heute zaubern die meisten Bäcker im Nu aus einer industriell hergestellten Fertigbackmischung ein Brot.

„Der Preis dieser Zeiteinsparung ist die Darmerkrankungen Zöliakie beim Kunden“, sagt Pollmer. Bei Zöliakie reizt das Getreide-Eiweiß Gluten die Darmwand. Die traditionelle Sauerteigführung ohne Zusatzstoffe baut Gluten natürlich ab.

Keine Deklarationspflicht

Noch ein Riesenproblem sieht der Lebensmittel-Chemiker Udo Pollmer: „Viele Zusatzstoffe stehen nicht auf der Verpackung.“ Und das legal. Laut Gesetz müssen die Hersteller nur die Zusatzstoffe mit Funktion für das Endprodukt angeben. Das umfasst z.B. Geschmack, Farbe und Konsistenz. Stoffe aus der Produktion dürfen die Hersteller verschweigen.

Ein Beispiel: E 920 (Cystein) sorgt in der Keksfabrik dafür für leicht zu verarbeitenden Teig. Auf der Packung steht es nicht. Es erfüllt für den fertigen Keks keine Funktion. „Ein Skandal!“, sagen Kritiker. Die Lebensmittelindustrie setzt ca. 7.500 solcher Zusätze ein. Sie tauchen auf keiner Verpackung auf.

Weiter Schummeleien:

  • Statt künstlichem Glutamat setzen Hersteller von Lebensmitteln Hefeextrakt zu. Das ist natürlich, aber gesundheitlich bedenklich.
  • Viele Wein-Sorten enthalten Sulfite. Das ist ein Konservierungs-Stoff und löst Migräne aus.
  • Auf der Verpackung stehen natürliche Aromen. So kann natürliches Himbeer-Aroma aus Sägespänen des Zedernbaums stammen, natürlicher Apfelgeschmack aus Weinfusel und Hefeöl oder natürliches Vanillin aus gentechnisch veränderten Bakterien wie Pseudomonas, Enterobacter oder dem Schimmelpilz Aspergillus.

Das alles geschieht ganz legal und völlig konform mit Bundes- bzw. EU-Gesetzen! „Die Verbraucher fühlen sich getäuscht“, sagt Silke Schwartau, Leiterin der Ernährungsabteilung bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Von ihr stammt der Bestseller „Was bedeuten die E-Nummern“. 870.000 Mal wurde die Broschüre verkauft.

Das illustriert den riesigen Informationsbedarf bei den Konsumenten zeigt. „Wir fordern seit Langem“, sagt Silke Schwartau, „dass alle Zusatzstoffe vollständig auf den Verpackungen auftauchen. Aber auch dort, wo es keine Verpackungen gibt, müssen die Verbraucher den Inhalt kennen.“ Die Expertin von der Verbraucherzentrale nennt einige alltägliche Beispiele:

  • An der Wurst- und Käsetheke: Nitritpökelsalz und Phosphate finden sich in lose verkaufter Ware an der Theke ebenso wie in verpackten Produkten.
  • Beim Bäcker: 9 von 10 Bäckern verwenden industriell hergestellte Fertig-Backmischungen mit Zusatzstoffen für Brot und Brötchen.
  • Im Restaurant bekommen wir viel häufiger als gedacht Aufgewärmtes und Angerührtes aus der Industrie, inklusive Zusatzstoffe.

Vorgefertigtes in der Gastronomie

„Bis zu 98 Prozent der Küchen in Deutschland arbeiten mit vorgefertigten Lebensmitteln“, empört sich Ernst-Ulrich W. Schassberger, Präsident von Eurotoques Deutschland. Die Köche-Organisation setzt sich für natürliche Lebensmittel ein. Deshalb bekommt die Eurotoques-Lizenz nur, wer auf Zusatzstoffe und vorgefertigte Produkte verzichtet. 480 Restaurants in Deutschland kochen nach diesen Regeln.

Und zu Hause? Wie schaffen wir es da, mit weniger Zusatzstoffen auszukommen? Die Ernährungsexpertin Silke Schwartau gibt Tipps:

  • Verwenden Sie vorgefertigte Lebensmittel in Bio-Qualität. Sie enthalten harmlosere Zusatzstoffe.
  • Achten Sie beim Einkauf genau auf die Etiketten und fragen Sie an den Theken nach den Inhaltsstoffen.
  • Kochen Sie selbst mit frischen Produkten.

Mehr Infos:

  • Die Verbraucherzentralen beraten zum Thema Zusatzstoffe und E-Nummern. Dort erhält man auch die bereits erwähnte sehr gute und günstige Broschüre: Was bedeuten die E-Nummern, 4,90 Euro.
  • Viele Hintergründe und Fakten liefert Lebensmittel-Chemiker Udo Pollmer in seinem Buch „Food-Design: Panschen erlaubt“.
  • Restaurants und Köche, die ohne Zusatzstoffe kochen, finden Sie bei der Eurotoques-Stiftung.

Quelle: plus Magazin 06/2009

Foto: © Markus Bormann – Fotolia.com