Tinnitus – Hoffnung auf Stille

Ein junges Mädchen hat Tinnitus

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen haben 45 Prozent aller Menschen in ihrem Leben Bekanntschaft mit Tinnitus gemacht. Bei vier Prozent der deutschen Bevölkerung gehen Ärzte von chronischen Ohrgeräuschen aus. Das entspricht drei Millionen Menschen. Die meisten Betroffenen haben eine jahrelange Ärzte-Odyssee hinter sich. Heute gibt es ausgefeilte Methoden und Therapien, um Tinnitus zumindest zu lindern.

An einer neuen Therapie für Patienten mit chronischem Tinnitus forschen Wissenschaftler der Universität Regensburg. Dr. med. Tobias Kleinjung und seine Kollegen verwenden ein Magnetfeld. Vor der Behandlung stellen sie fest, wo der Tinnitus im Gehirn sein Unwesen treibt. Mit bildgebenden Verfahren wie der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) entdecken die Wissenschaftler Bereiche mit vermehrten Stoffwechselvorgängen. Die erhöhte Stoffwechselaktivität bildet die Ursache für die Ohrgeräusche.

Therapie über Magnetfelder

Mit einer sog. Stimulationsspule erzeugen sie von außen ein Magnetfeld an der entsprechenden Stelle des Kopfes. Es dringt durch den Schädel in die darunter liegenden Nervenzellen des Gehirns und reguliert die Vielzahl der elektrischen Ströme. Sie spüren den Tinnitus auf.

Die Wissenschaftler bezeichnen ihre Therapie als repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS). »Bisher besserten sich die Ohrgeräusche bei den meisten Patienten«, berichtet Kleinjung, »teilweise auch für einen längeren Zeitraum.« Mit ihren Studien hoffen die Wissenschaftler, neue Einblicke in die Entstehung des chronischen Tinnitus zu gewinnen.

Landkarten des Gehirns mit Tinnitus-Ortsangaben

Zu den wichtigsten Aufgaben von Entdeckern neuer Länder gehört das Anfertigen von Karten. So finden sie wichtige Orte und Wege später wieder. Auch Dr. Elmar Weiler zeichnet Karten. Das Besondere daran: Er zeichnet Landkarten des Gehirns. Sie zeigen einen Weg zum Tinnitus.

Der Wissenschaftler und seine Mitarbeiter messen die Gehirnströme der Tinnitus-Patienten. Sie machen ein Elektroenzephalogramm (EEG). Ein Computer wertet die Daten aus. So erhält Weiler ein »quantitatives EEG«. Im nächsten Schritt wandelt er es in eine bunte Landkarte des Gehirns um. Wir nennen sie das »topografische EEG«. Es stellt die Hirnströme farblich dar.

Heilung Kraft der Gedanken

Mit dieser Technik fertigen die Forscher für verschiedene Erkrankungen typische Abbildungen des Gehirns an. Krankheiten wie Migräne oder Epilepsie verändern die Hirnströme in charakteristischer Weise. Auch für den Tinnitus hat Weiler eine eigene Landkarte gezeichnet. Er zeigte als Erster, wie sich Ohrgeräusche in speziellen Hirnströmen widerspiegeln.

Das nutzt Weiler für die Neuro- oder Biofeedback-Therapie aus. Bei dieser Therapie lernt der Patient, Körperfunktionen zu beeinflussen, die nicht dem menschlichen Willen unterliegen – zum Beispiel die Hirnströme. Weilers Karten führen den Patienten zu seinem Tinnitus. Gelingt es dem Patienten, die weißen Flecken aufd er Karte durch seine Gedanken zu verkleinern oder ganz zum Verschwinden zu bringen, bessern sich die Tinnitus-Symptome.

Ein neues Medikament hilft

Glutamat ist ein Botenstoff und leitet das Hörsignal von den inneren Haarzellen an die Hörnerven weiter Die Substanz spielt im Gehirn beim Verarbeiten von Sinneseindrücken, beim Lernen, bei Bewegungen und bei Gefühlen eine Rolle. Einige Experten vermuten: Beim Tinnitus ist zu viel Glutamat im Ohr und im Gehirn vorhanden. Dieser Überschuss führt zur Übererregung und Zerstörung der Nerven. Der Wiener Tinnitusforscher Professor Dr. Klaus Ehrenberger arbeitet mit Arzneistoffen, sog. Glutamat-Antagonisten.

Am besten bewährt hat sich die Substanz Caroverine. Tinnitus-Patienten nehmen den Arzneistoff z.B. als Infusion ein. Ehrenberger versucht, Caroverine wie Ohrentropfen über den Gehörgang zu geben. Bisher fallen die Ergebnisse positiv, betont er. Wissenschaftler aus Amerika und Hannover setzten bei einer Operation eine kleine Pumpe ins Ohr. Sie gibt Caroverine nach und nach ab. In Deutschland ist Caroverine noch nicht als Arzneimittel zugelassen. In Österreich ist es erhältlich und mit einem Rezept über eine internationale Apotheke zu bestellen.

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