Kaum werden die Tage länger und wärmer, beginnt für Millionen Menschen das große Niesen, Schniefen und Augenjucken. Die Pollensaison hat begonnen: Heuschnupfengeplagte sollten sich wappnen.
„Heute leidet bereits ein Viertel der Bevölkerung an der Volkskrankheit Heuschnupfen“, stellt Professor Dr. Claus Bachert von der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI) fest. „Wer allergisch auf früh blühende Bäume und Gräser ist, muss jedes Jahr mit einer Leidenszeit von etwa acht Monaten rechnen.“ Tendenz steigend. Durch die milden Winter verlängert sich die Pollensaison. Und Luftschadstoffe machen die Pollen aggressiver.
Das Immunsystem spielt verrückt
Bei allergischen Erkrankungen spielen Umwelteinflüsse eine ungute Rolle, die Erbanlagen und nicht zuletzt ein ungesunder Lebensstil: Die körpereigenen Abwehrstoffe reagieren auf bestimmte Fremdstoffe, die keine Krankheitskeime sind. Doch die Abwehrzellen vernichten diese fremden Substanzen nicht wie einen Krankheitserreger. Stattdessen bildet der Körper nach dem ersten Kontakt mit dem Allergen übermäßig viele Antikörper im Blut.
Sie machen den Körper nicht etwa unempfindlich gegen die Allergene. Das Gegenteil ist der Fall: Die Antikörper liegen wie eine Armee auf der Lauer und reagieren jedes Mal „allergisch“, sobald sie mit dem spezifischen Fremdstoff, dem Allergen, in Kontakt kommen. Der Alarmzustand mit allen lästigen Abwehrsymptomen hält so lange an, wie der Körper dem Allergen ausgesetzt ist. Bei häufigen Kontakten mit den Allergenen verstärken sich die Überreaktionen noch.
Heuschnupfen frühzeitig behandeln
Manche trifft es so schlimm, dass sie sich trotz schönstem Wetter kaum noch ins Freie wagen. Soweit sollte es niemand kommen lassen, mittlerweile stehen verschiedene wirksame Behandlungsmethoden gegen gerötete Augen, Fließschnupfen und Niesattacken zur Verfügung. Dabei gilt: Je eher, desto besser und wirksamer: Wer an Heuschnupfen leidet, trägt ein deutlich erhöhtes Risiko, später an Asthma zu erkranken.
Allergologen nennen das „Etagenwechsel“: Die allergischen Symptome wandern mit den Jahren von den Nasenschleimhäuten noch ein „Stockwerk“ tiefer in die Lungen. Das ist bei mindestens jedem fünften Heuschnupfenopfer der Fall. Nächtlicher Hustenreiz kann ein erstes Warnsignal sein. Wer hinter seinem Schnupfen eine allergische Ursache vermutet, sollte deshalb beim Hautarzt oder Allergologen einen Allergietest machen.
Pollenattacken aus dem Weg gehen
Ist der allergene Übeltäter identifiziert, lassen sich die Zeiten der Pollenbelastung mit verschiedenen Vorsichtsmaßnahmen besser überstehen. Zum Beispiel bieten Radio, Zeitungen und Internet regionale Pollenflugansagen an. Ansonsten gilt bei Pollenalarm: Aufenthalt im Freien meiden und Fenster nachts schließen. Die Kleidung nicht im Schlafzimmer ausziehen und Pollenschutzgitter an den Fenstern anbringen.
Auch für das Auto gibt es Pollenfilter. Doch Betroffene können den allergenen Quälgeistern nicht völlig entfliehen. Bei einer Baumpollenallergie reichen schon 10 Pollenkörner pro Kubikmeter Luft, um eine allergische Reaktion auszulösen. Eine Birke setzt aber beispielsweise mehr als fünf Millionen Pollen pro Blütenstand frei. Außerdem können die winzigen Pollenkörner je nach Windverhältnissen enorme Flugstrecken bis zu mehreren Tausend Kilometern zurücklegen.
Medikamente lindern die Beschwerden
Manchen Heuschnupfenopfern hilft eine regelmäßige Nasendusche, mit der sie Allergene wegspülen. In der Apotheke gibt es sie mit speziellen Salz-Lösungen. Wer an Heuschnupfen leidet, sollte es aber auf Dauer nicht bei der Selbstmedikation belassen. Für die Wahl einer medikamentösen Therapie ist ein allergologisch ausgebildeter Facharzt der richtige Ansprechpartner.
Der rechtzeitige Einsatz von Nasentropfen oder -sprays mit Mastzellenstabilisatoren (zum Beispiel mit Cromoglyzinsäure) vor dem nächsten Pollenalarm kann Heuschnupfen verhindern. Hat das Niesen schon angefangen, kommen die so genannten Antihistaminika zum Einsatz: Sie bremsen die allergische Reaktion aus. Antihistaminika helfen am besten, wenn Sie sie über die gesamte Zeit des allergieauslösenden Pollenflugs anwenden.
Die Mittel gibt es sowohl zum Einnehmen als auch in Form von Nasensprays und Augentropfen, zum Beispiel mit den Wirkstoffen Beclometason für eine kürzere Anwendungsdauer oder Levocabastin, das Betroffene über mehrere Monate einnehmen können. Bei größeren Beschwerden machen kortisonhaltige Nasensprays Sinn.
„Kortison ist stark entzündungshemmend und lässt die Nasenschleimhaut abschwellen. Keine Angst: Das Medikament gelangt nicht in den gesamten Körper. Nebenwirkungen sind nicht zu befürchten“, beruhigt Professor Claus Bachert von der DGAKI. Kortisonhaltige Nasensprays benötigen ein paar Tage Anlaufzeit, bevor sie die volle Wirkung entfalten.
Das Übel an der Wurzel packen
Die verschiedenen Medikamente haben eines gemeinsam: Sie bekämpfen die Symptome, nicht aber die Ursache des Heuschnupfens. Hier setzt die spezifische Immuntherapie (SIT) an, auch Desensibilisierung oder Allergieimpfung genannt. Um das überschießende Immunsystem des Allergikers langsam an den „Feind“ zu gewöhnen, wird Patienten über mehrere Jahre der allergieauslösende Stoff verabreicht.
Als bewährter Klassiker gilt die „Impfkur“: Der Arzt spritzt anfangs einmal wöchentlich, später einmal im Monat eine zunehmende Dosis Allergenlösung unter die Haut. Es gibt ebenso verkürzte Verfahren wie zum Beispiel einen Spritzenzyklus von vier bis sieben Injektionen vor jeder Pollensaison. Nach der Impfung müssen Patienten noch etwa eine halbe Stunde in der Praxis verweilen für den Fall einer Überreaktion des Immunsystems.
Der Erfolg der SIT hält über Jahre an. Allgemein gilt die Spezifische Immuntherapie als erfolgreichste Behandlungsform mit Erfolgsraten von bis zu 90 Prozent. Wer sich mit den andauernden Arztterminen oder den Piksern in den Oberarm nicht anfreunden kann: Es gibt die Immunimpfung auch in Form von Tropfen oder Tabletten, die man unter der Zunge zergehen lässt (SLIT: sublinguale Immuntherapie).
Forschung aus dem Kuhstall
Allergien sind rapide auf dem Vormarsch: Jeder dritte Teenager leidet unter Heuschnupfen und ist damit ein Kandidat für allergisches Asthma. Jahrelang untersuchten Wissenschaftler, wie Allergien entstehen. Seit einigen Jahren erforschen sie, warum sie bei manchen Menschen gerade nicht entstehen. Kinder, die traditionell mit Hund und Katze auf einem kleinen Bauernhof aufwachsen, sind zum Beispiel viel weniger allergieanfällig als Stadtkinder. Das zeigen internationale Studien.
Die frühzeitige Begegnung des Körpers mit „echten“ Feinden trainiert das Immunsystem, glauben die Forscher. Sie nahmen bayerische Bauernhöfe unter die Lupe. Nun laufen Versuchsreihen mit Bakterienbruchstücken, die in hoher Konzentration in den Betten der Bauernkinder und im Stallmist gefunden wurden.
Allergieanfällige Versuchsmäuse waren nach der Behandlung mit dem Stoff hervorragend vor Allergien geschützt. Jetzt testen Wissenschaftler die Bakterientropfen als „Schluckimpfung“ an Babys. Alternativmediziner verabreichen solche Tropfen seit Jahren zur Stärkung des Immunsystems. Auch wenn die Versuche weiter Erfolge zeigen, ist der Impfstoff frühestens in zehn Jahren auf dem Markt und kann nur Kindern helfen.
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