Chemotherapie: Hilft sie wirklich gegen Brustkrebs?

Bei einer Krebserkrankung behandelt man oft mit einer Chemotherapie.

Chemotherapie – ja oder nein? Eine der schwierigsten Fragen, wenn man an Krebs erkrankt. Die Wogen der Angst schlagen hoch. Eine heftige Debatte ist entbrannt: Wie sinnvoll ist die Chemotherapie eigentlich bei Brustkrebs? Schadet sie vielleicht eher, als dass sie nützt? Werden Frauen übertherapiert?

Soeben geriet Yvonne Wussow mit dem Statement in die Schlagzeilen, dass sie ihren Brustkrebs, wie schon beim ersten Mal vor 15 Jahren, nicht mit Chemo oder Strahlen, sondern ausschließlich mit Naturheilverfahren behandeln will. Dann setzte der Spiegel noch eins drauf: Bei metastasierenden Tumoren mit Absiedlungen in anderen Organen haben sich die Überlebensraten in den vergangenen Jahrzehnten eher leicht verschlechtert. Trotz angeblich verbesserter Zellgifte.

Was ist wahr?

„Man behandelt aus dem Wissen der Statistik“, sagt Prof. Dr. Kurt Possinger, Direktor der Hämatologie und Onkologie an der Berliner Charité. „Und es stimmt, dass wir nur 20 Prozent der Brustkrebspatientinnen mit einer Chemotherapie tatsächlich langfristig – also länger als 15 Jahre – helfen können.

Dennoch werden 80 Prozent damit behandelt.“ Im Klartext: Die Frauen lassen die aggressive Therapie über sich ergehen, ohne zu wissen, ob sie tatsächlich gegen ihre individuellen Tumorzellen wirkt. Doch die Chance nicht zu nutzen heißt unter Umständen, viele gute Jahre oder sogar Jahrzehnte zu verschenken. „Wir können immer nur an Hand der Zahlen sagen, welche Frauen mit welchem Krebs in welchem Stadium besonders profitieren. Aber wir wissen nichts über den Einzelfall“, sagt Possinger.

Die Chancen verbessern

Die Statistik sagt über die vorbeugende Chemotherapie, bei der noch keine nachweisbaren Fernmetastasen aufgetreten sind: Hormonunabhängige Krebse (Rezeptor-negativ) reagieren besser als Rezeptor-positive. Je weniger Lymphknoten befallen sind, umso besser das Ansprechen auf Chemo. Vor der Menopause werden mit den Zellgiften bessere Ergebnisse erzielt als nachher, wenn Anti-Hormontherapie oft die bessere Option ist.

Von Fall zu Fall entscheiden

„Dennoch sollte ein Onkologe die ganze Datenlage des Tumors mit der Patientin besprechen, um mit ihr alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die wir in der Tumortherapie kennen“, sagt Prof. Possinger. Bei einer kleinen Gruppe von Frauen werde die Chemo schon vor der Operation eingesetzt: „Das tun wir meist dann, wenn der Krebs so aggressiv ist, dass er sich extrem schnell ausbreitet oder um die Tumormasse vor der OP zu verkleinern.“

Auch wenn der Krebs schon andere Organen angegriffen hat, könne die Chemotherapie Gutes leisten, so Possinger. „Es geht dann womöglich nicht darum zu heilen, sondern um mehr Lebensqualität, das Lindern von Schmerzen, vielleicht um ein wenig mehr Zeit. Das kann für die einzelne Patientin sehr wertvoll sein.“ An ihrer Seite zu sein, wie immer ihre Entscheidung ausfällt, hält er für wichtiger als jedes Dogma.

Die drei Säulen der Behandlung

Operation: Sie steht an, nachdem zuvor durch eine winzige Gewebeentnahme (Biopsie) geklärt wurde, ob es sich tatsächlich um einen bösartigen Tumor handelt. Mehr als 60 Prozent der 45000 Patientinnen jährlich können heute Brust erhaltend operiert werden. Was bewirkt sie: Die Tumormasse wird durch die Operation drastisch reduziert, der Körper dadurch entlastet.

Das entnommene Gewebe dient dem Pathologen zur genauen Analyse, um welchen Typ und welches Stadium es sich handelt. Fazit: Die Grundlage, aus der sich alle weiteren Behandlungsschritte ableiten.

Strahlentherapie: In genau errechneter Dosis werden die Patientinnen grundsätzlich bestrahlt, deren Brust bei der Operation erhalten wurde oder deren Tumor größer als zwei Zentimeter war. Eine weitere Indikation für die radioaktiven Strahlen: Wenn mehr als vier Lymphknoten in der Achsel Krebszellen aufweisen.

Was bewirkt sie: Verstreute Tumorzellen, die bei der Operation nicht entfernt und eventuell nicht einmal nachzuweisen sind, werden durch diese Therapie erreicht und zerstört. Fazit: Eine Maßnahme, die den Erfolg der Operation nachweislich unterstützt und auch in Bereiche gelangen kann, die nicht ohne weiteres zugänglich sind, zum Beispiel dann, wenn der Tumor in der Nähe der Brustwand saß.

Chemotherapie: Sie wird individuell gegen den jeweiligen Tumor zusammengestellt und über Infusionen verabreicht. Je nach Tumorart und -stadium kann die Chemotherapie bis zu sechs Zyklen mit jeweils einem oder mehreren Tagen Dauer umfassen. Dazwischen liegen behandlungsfreie Intervalle, die meist drei Wochen dauern.

Was bewirkt sie: Sie zerstört Krebszellen, die über Blut- oder Lymphbahnen in andere Organsysteme wandern könnten (adjuvant). Oder sie verkleinert die Tumormasse und erhöht die Lebensqualität (palliativ). Fazit: Genaue Aufklärung und Begleitung durch den Onkologen sind bei der Chemo extrem wichtig.

Vorsorge: Früherkennung kann Leben retten

Nichts ist so wichtig wie Vorsorge: Ein Tumor von weniger als zwei Zentimeter Größe, der vor der Ausbreitung in die Lymphknoten entdeckt wird, ist zu 90 Prozent heilbar.

Bis heute gibt es in der Therapie keinen Faktor, der sicherer, schonender und viel versprechender ist. Frauen können selbst dazu beitragen, indem sie sich einmal im Monat am Zyklusanfang selbst untersuchen. Je früher ein Tumor entdeckt wird, desto häufiger kann Brust erhaltend operiert werden. Eine gründliche Untersuchung durch Mammografie und Ultraschall kostet etwa 100 bis 120 Euro.

Quelle: Frau im Spiegel 43/2004

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