Wellness: Gibt es einen Gesundheitsimperativ?

Eine junge Frau atmet befreit

Der Wellness-Trend hat die Philosophie auf den Plan gerufen. Viele Menschen sehen Gesundheit nicht mehr als Abwesenheit von Krankheit, sondern als wichtigen Bestandteil des Lebens.

Gesundheit ist nach Ansicht der Philosophen zur Alltagsreligion geworden. Die Priesterschaft dieser neuen Religion rekrutiert sich nach deren Auffassung aus dem Medizinbereich. Statt in Kirchen zu gehen, gehen die Menschen lieber ins Fitnessstudio oder Wellnesscenter.

Wellness und Philosophie

Die Münchner Zeitschrift für Philosophie WIDERSPRUCH beschäftigte sich eingehend mit dem Thema Gesundheit. Sie beklagt, dass die Philosophie den Wertewandel verschläft. Gesundheit sehen die Philosophen nicht als „höchstes Gut“, sondern als die psycho-physische Bedingung der Wahrheitssuche. „Sie erhebt nur kritisch das Wort, wo ihr der ‚Körperkult’ zu weit geht.“

In dem lesenswerten Beitrag ‚Der Gesundheitsimperativ’ beschreibt der Münchner Philosoph Pravu Mazumdar den Paradigmenwechsel. Dieser hat in den 80er- und 90er-Jahren den Gesundheitsdiskurs von der bloßen Abwehr von Krankheiten zur Verknüpfung mit dem Glück und dem Glücksversprechen geführt.

Gesundheit und Glücksversprechen

In diesem Beitrag werden die Widersprüche des philosophischen Denkens deutlich, sich mit dem bewussten Sich-Engagieren für das persönliche Wohlfühlen auseinanderzusetzen. So schreibt Mazumdar, „dass sich seit den achtziger Jahre eine neue Vorstellung von Gesundheit durchsetzt“.

Und das sowohl im Diskurs als auch in den diversen Formen alternativer Therapien. Nach dieser neuen Vorstellung ist Gesundheit mehr als das summierte Fehlen von Krankheiten: Sie ist von positiven Werten aufgeladen.

Gegen Ende der achtziger Jahre mündete diese Vorstellung von Gesundheit in den Begriff Wellness. Wellness beherrscht mittlerweile die Diskussion in den Medien. Dadurch lockerte sich das Band zwischen Gesundheit und Krankheit. Darüber hinaus hat sich die Beziehung zwischen Gesundheit und Glück enger geflochten.

Wellness als Gesundheitsimperativ?

Mazumdar kritisiert, dass dieser Anspruch einer andauernden Arbeit an sich selbst nicht aus einer freiwilligen und schicksalhaften Entscheidung des Einzelnen hervorgeht. Er betrifft vielmehr jeden Einzelnen: In einem dringlichen Kontext, in dem nur unmittelbar über Gesundheit, letztlich aber über Leben und Tod entschieden wird.

Er sieht die Unmündigkeit gegenüber den alten Experten der kurativen Medizin durch eine neue Abhängigkeit ersetzt: Die Abhängigkeit gegenüber dem boomenden Wellnessmarkt und ihren Fitnessangeboten. Mazumdar sieht in dem Willen zur Gesundheit in Kantischer Manier einen Imperativ: „Den Gesundheitsimperativ. Der sollte nach Kant zu den von ihm so genannten technischen Imperativen oder Imperativen der Geschicklichkeit gezählt werden.“

Die Annäherung von Gesundheit und Glück im Begriff des Wohlbefindens wird zu Folgendem führen: Die Beliebigkeit und Undefinierbarkeit des Glücksbegriffs färbt sich zusehends am Gesundheitsbegriff ab. Der Wandel des Denkens führte zu einer Verschiebung der Position der Gesundheit in dieser Logik.

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