Alternative Medizin hilft eben doch!

Auch mit sanfter Medizin lassen sich Allergien bekämpfen.

„Versuchen Sie es mit Homöopathie“- was Prof. Jörg-Dietrich Hoppe (70) von seinen Ärzte-Kollegen fordert, gleicht einer Sensation. Erstmals spricht sich der oberste deutsche Ärztevertreter damit vehement für alternative Heilmethoden aus.

Wo sehen Sie die Stärken der alternativen Medizin?

Bei einem Schnupfen oder einer Nasennebenhöhlen-Entzündung sind Tabletten nicht erforderlich. Da helfen Spülungen und Inhalationen aus der alternativen Medizin genauso gut. Wer unter Reiseübelkeit oder Wetterfühligkeit leidet, findet mit homöopathischen Kügelchen Linderung. Und in vielen weiteren Fällen nutzen wir Ärzte begleitend zur Schulmedizin alternative Heilmethoden, um Menschen zu helfen.

Viele Experten bezweifeln den Nutzen der Homöopathie

Dem entgegne ich, dass Homöopathie eine anerkannte Therapieform im Sinne des Sozialgesetzbuches, ist. Das heißt: Diese 200 Jahre alte alternative Medizin ist trotz wissenschaftlicher Kritik zugelassen und homöopathische Heilmittel sind für Ärzte erlaubt.

Das liefert keinen Beweis für ihre Wirksamkeit

Wäre Homöopathie Scharlatanerie, stünde sie nicht im Sozialgesetzbuch als zugelassene Methode. Wir sollten die positiven Erfahrungen der alternativen Medizin aus den letzten Jahrhunderten nicht mit dem Argument wegwischen, es gibt keine „harten“ Studien mit eindeutigen Beweisen. Was zählt, ist dass wir Ärzte einem kranken Menschen helfen. Diese Botschaft ist bei vielen Ärzte nicht angekommen.

Drei von vier Patienten wünschen sich mehr alternative Medizin. Was läuft schief?

In meinen Augen betonen wir deutschen Ärzte zu sehr die naturwissenschaftlich begründete Medizin. Der Volksmund nennt sie Schulmedizin. Ich bin überzeugt: Alternative Medizin als Ergänzung zur Schulmedizin macht Patienten zufriedener. Und für diese Überzeugung werbe ich bei meinen Ärzte-Kollegen.

Wo sehen Sie Stärken und Schwächen von Schulmedizin?

Die Schulmedizin greift da gut, wo eine Krankheit analysierbar ist. Hier gibt es entsprechende Medikamente bzw. Behandlungsmethoden wie Strahlentherapie oder Operationen. Das trifftbeispielsweise bei Krebs oder bei einem Knochenbruch zu. Bei entzündlichen Erkrankungen bewirkt die Schulmedizin mehr als die alternative Medizin.

Chronisch Kranke wünschen sich neben der Schulmedizin ergänzende Methoden und mehr Zuwendung. Und das gehört zu den Stärken der alternativen Medizin. Wer sie nutz, erhält mehr Zuwendung, Fürsorge und Aufmerksamkeit als von schulmedizinisch orientierten Ärzten.

Erklärt das, weshalb sich Menschen von der Schulmedizin abwenden?

Führen Sie sich Folgendes vor Augen: Ein Besuch beim Arzt dauert im Schnitt 7,6 Minuten. Das hat Gründe. Ärzte erhalten für das Gespräch mit Patienten nur wenige Euro von der Krankenkasse. Hier müsste der Hebel angesetzt und etwas geändert werden. Die sprechende Medizin benötigt eine Aufwertung!

Sie fordern alternative Medizin in der Ausbildung von Ärzten gehören

Arztsein bedeutet mehr als naturwissenschaftlich begründete Medizin. Als ich in den 1960er-Jahren Medizin studierte, galten die alternative Medizin mit pflanzlicher Medizin, Ernährungs- und Bewegungstherapie als ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung.

Das trifft heute nicht zu. Zurzeit bietet jede zweite deutsche Universitätsklinik die Methoden der alternativen Medizin als Wahlfächer für angehende Ärzte an. Es gibt Dutzende, wenn nicht über Hunderte alternative Heilmethoden.

Welche gehören Fall zur Pflichtausbildung von Ärzten?

Die klassische Naturheilmedizin mit Heilpflanzen und Wickeln oder Akupunktur. Sie ist beim Bekämpfen von Schmerz erfolgreich. Die Homöopathie halte ich ebenfalls für sehr wichtig.

Die Homöopathie betrachten viele Schulmediziner kritisch

Ich rate diesen Kollegen, einen Versuch zu wagen. Ich empfehle, leichtere Beschwerden ohne klare medizinische Ursache mit einer Methode der alternativen Medizin wie Homöopathie zu behandeln. Die Erfahrung zeigt: Solche Beschwerden sprechen gut auf Naturheilverfahren – auch wenn man nicht erklären kann, wie sie wirken.

Kritiker behaupten, Ärzte setzen auf alternative Medizin, um Geld zu scheffeln

Dem widerspreche ich energisch! Meiner Ansicht nach verfügen gut ausgebildete Ärzte über die Fähigkeit, nach Krankheit zu entscheiden, wann alternative Medizin die geeignete Methode liefert und wann Schulmedizin besser hilft. Das kann der Heilpraktiker nicht. Seine Ausbildung ist nicht derart umfassend. Sie sind überzeugt von Naturheilverfahren.

Der Gesetzgeber verlangt, dass Kassen nur in Studien auf Wirksamkeit uns Sicherheit geprüfte Verfahren bezahlen. Diese aufwendigen und teuren Studien gibt es zu den Methoden der alternativen Medizin nicht. Die Patienten sollten die Methoden selbst zahlen oder über eine zusätzliche Versicherung absichern.

Krankenkassen haben errechnet, dass alternative Heilmittel weniger als ein Prozent der Medikamente kosten

Das ist ein schwelender, unschöner Richtungsstreit bei uns. In Ländern wie Österreich und Großbritannien existieren beide Behandlungsformen nebeneinander und niemand regt sich darüber auf. In Indien ist Ayurveda, in China TCM selbstverständlich.

Ich möchte, dass dieser Streit bei uns aufhört. Beide Richtungen verfügen über ihre Berechtigung. Alternative Medizin hilft nicht bei Krebs; andererseits fühlen sich viele Patienten bei homöopathisch tätigen Ärzten gut aufgehoben – das dürfen wir nicht unterbewerten.

Mit Prof. Hoppe sprach Uwe Groenewold

Quelle: plus Magazin 04/2011

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