Keine Chance für Verstopfung

Eine Frau auf dem Weg zum Klo

 Die wichtigste Botschaft vorweg: Sie müssen nicht täglich müssen!

Den Darm dreimal in der Woche zu entleeren, ist aus ärztlicher Sicht genauso in Ordnung wie dreimal täglich. „Hätte jemand nur alle zwei Wochen Stuhlgang und sonst keine Beschwerden, ist das kein Problem“, versichert Professor Dr. Stefan Müller-Lissner. Er ist Chefarzt an der Parkklinik Berlin-Weißensee. Verstopfung ist lästig: Wir fühlen uns unpässlich und krank. Völlegefühl, Blähungen, Bauchweh, Übelkeit und Kopfschmerzen sind unangenehm.

Trotzdem ist Verstopfung eine harmlose Sache und geht selten auf eine schwere Krankheit wie Darmkrebs oder multiple Sklerose zurück. Es gilt als Ammenmärchen, dass der Kotstau den Organismus vergifte. Das behauptete der schottische Chirurg Sir William Arbuthnot Lane (1856-1943) „Bezeichnenderweise verwandelt sich das Krankheitsgefühl in Wohlbefinden, ist das Geschäft erledigt. Solch schnelle ‚Heilung’ ist untypisch für eine Vergiftung“, stellt Müller-Lissner klar.

Nicht auf die leichte Schulter nehmen

Ärzte attestieren eine akute Verstopfung (Obstipation), enthält der Stuhl zu wenig Wasser und ist er verhärtet. Dadurch gleitet er schlecht und bleibt mindestens drei Tage aus. Kennzeichnend sind verminderte Eigenbewegung des Verdauungsschlauchs, geringer Darmdruck sowie zu schwache oder fehlende Entleerungsreize. Der Stuhlgang ist mühsam und bereitet Schmerzen. Es kommt zu Hämorrhoiden, die Analschleimhaut reißt oder es bilden sich Divertikel.

So heißen kleine Ausstülpungen in der Darmwand. Sie entzünden sich und platzen – eine lebensbedrohliche Blutvergiftung ist die Folge. Nehmen Sie anhaltende Verstopfung, auch im Wechsel mit Durchfällen, Schmerzen oder Blut im Stuhl nicht auf die leichte Schulter! Dies ist Grund genug für einen Arztbesuch. Hinter die Ursache einer Verstopfung zu kommen, stellt sich für Mediziner als schwierig dar. Viele Theorien über die Auslöser von Verstopfung gelten als widerlegt.

Falsche Annahmen

Es gilt als Legende, dass ballaststoffarme Kost an der Darmträgheit schuld sei. Untersuchungen haben gezeigt, dass Verstopfte sich nicht anders ernähren als gesunde Vergleichspersonen: Genauso viel oder genauso wenig Vollkornbrot, rohes Gemüse und ungeschältes Obst. Als Mittel gegen Verstopfung sind Ballaststoffe keine sichere Trumpfkarte.

Ärzte empfehlen einen sieben- bis 14-tägigen Test mit Flohsamen, eingerührt in Saft, Suppe oder Joghurt, um für zusätzliche Füllung im Darm zu sorgen und so die Darmbewegung zu stimulieren. Auch geschroteter Leinsamen ist einen Versuch wert – Achtung: Trinken Sie zu solchen Ballaststoffen reichlich! Stellt sich keine Besserung ein, spricht nichts für eine weitere Einnahme. Bei manchen Patienten verschlechtern Ballaststoffe das Befinden und erzeugen Blähungen sowie verstärktes Völlegefühl.

Mehr Bewegung kein Allheilmittel

Als Irrglaube gilt, an Verstopfung sei zu wenig Bewegung schuld. Die Motorik des Darms ist unabhängig vom Pensum z.B. unserer Beine. Um sie merklich zu steigern bräuchte es einen Marathonlauf. So macht mehr Bewegung mit bestehender Verstopfung selten Schluss. Bei alten Menschen, die wenig aktiv sind, erweist Sich regen am häufigsten als Segen. Überdies fördert Beckenbodentraining bei schwach entwickelter Muskulatur den Entleerungsreflex des Darms.

Viele Leute schwören auf die verdauungsfördernde Wirkung eines Glases Wasser auf nüchternen Magen. Bei der Trinkmenge, die Gesunde und von Verstopfung Geplagte über den Tag zu sich nehmen, besteht kein Unterschied. „Zusätzlich verabreichtes Wasser in einer Größenordnung von drei Litern täglich hat keinen nennenswerten Einfluss auf die Beschaffenheit des Stuhls“, sagt Professor Dr. Thilo Andus, Gastroenterologe aus Stuttgart.

Kein Freibrief allerdings, zu wenig zu trinken und Austrocknung zu riskieren. Das legt tatsächlich den Stuhltransport lahm. Zwei Liter Flüssigkeit sollten Sie täglich tanken, vorrangig Wasser, Fruchtsaftschorle oder Kräutertee.

Träger Darm durch Schwangerschaft

Nicht in Frage steht, dass an Verstopfung bestimmte Medikamente, z.B. gegen Depressionen, Parkinson oder Epilepsie schuld sind. Eine Schwangerschaft macht den Darm träge. Als Bremsklotz hat sich der veränderte Hormonhaushalt erwiesen. Negativ auf die Darmtätigkeit wirken sich zudem Nervenschäden in der Darmwand aus, bedingt durch einen zu hohen Blutzuckerspiegel (Diabetes) und durch Rauchen.

Die Nerven registrieren weder, dass der Darm gefüllt ist, noch geben sie den Darmmuskeln Impulse, sich zusammenzuziehen und so den Darminhalt Richtung Ausgang zu bugsieren. Der Darm ist ein Gewohnheitstier und gerät dadurch aus dem Rhythmus, dass einer eine Reise tut, sich anders ernährt als üblich oder statt Muße Stress hat (und umgekehrt).

Deshalb gilt als A und O bei Verstopfung und um ihr vorzubeugen: Starten Sie ohne Hektik in den Tag – besser frühzeitig aufstehen, als sich beim Frühstück und auf dem Weg zur Arbeit abzuhetzen. Nehmen Sie sich ausgiebig Zeit für den Stuhlgang. Und programmieren Sie Ihren Darm auf Entleerung durch Toilettenbesuche zur gleichen Tageszeit.

Abführmittel – besser als ihr Ruf

Lassen sich die Ursachen einer Verstopfung nicht abstellen, bleibt nur die Behandlung mit Abführmitteln. Hier ein Überblick: Neben den erwähnten natürlichen Ballaststoffen vergrößert der Wirkstoff Macrogol das Stuhlvolumen. Der Druck auf die Darmwand stimuliert die Muskulatur und fördert die Entleerung. Ein rein mechanischer, kein chemischer Effekt! Macrogol wird vom Körper nicht aufgenommen, sondern unverdaut wieder ausgeschieden. Es ist deswegen zur Dauertherapie geeignet.

Laxanzien entziehen dem Organismus Flüssigkeit, die in den Darm gelangt, den Stuhl aufweicht und geschmeidiger macht. Bewährt haben sich neben Wirkstoffen wie Bisacodyl und Natriumpicosulfat pflanzliche Extrakte aus Aloe, Faulbaumrinde, chinesischem Rhabarber oder Sennesblättern. Die Sennes-Pflanze kommt seit Jahrtausenden traditionell in der Volksmedizin zur Anwedung.

Senna ist heute wissenschaftlich dokumentiert. Die Sennoside wirken am Ende des Dickdarms, acht bis zwölf Stunden nach der Einnahme. Daher am besten abends anwenden, um morgens den gewünschten Effekt zu erhalten.

Weitere Abführmittel

Regulanzien binden das im Darm vorhandene Wasser. Zu nennen sind u.a. Salze wie das Natriumcitrat sowie Abkömmlinge des Milchzuckers, z.B. Lactulose und Lactitol. Sie sind für Diabetiker geeignet, erzeugen allerdings Blähungen und verstärken das für Verstopfung typische Völlegefühl.

Gleitmittel, z.B. Zäpfchen und Mini-Klistiere mit Glyzerin oder Paraffin, weichen den Stuhl im Enddarm auf und sorgen rasch für Entleerung. Problematisch: Sie werden vom Körper aufgenommen und können die Darmschleimhaut reizen.

Vorsicht bie der Dosierung

Die Legende, Abführmittel seien gesundheitsschädlich, hat sich besonders hartnäckig gehalten, ist aber vom Tisch. Mit dem schlechten Ruf der Laxanzien ist es vorbei, seit sie 1999 von der amerikanischen Zulassungsbehörde für Arzneimittel als sicher und wirksam eingestuft wurden. Zutreffend ist, dass bei Dauereinnahme von Abführmitteln Mineralstoffe ausgeschwemmt werden. Sie düfen im Körper nicht fehlen und müssen ersetzt werden.

Durch sie besteht kein erhöhtes Krebsrisiko und sie verlieren ihre Wirksamkeit nicht bei längerer Einnahme. Müller-Lissner: „Bei querschnittsgelähmten Patienten ließ die abführende Wirkung selbst nach sage und schreibe 34 Jahren nicht nach.“ Gleichwohl besteht das Problem seelischer Abhängigkeit. Nehmen Sie Laxanzien auf keinen Fall täglich und damit übertrieben oft ein! Tabu sind Überdosierungen. Die Mittel eignen sich nicht zum Abspecken.

Die Quittung für solchen Missbrauch ist Kaliummangel. Der Darm wird dadurch träger und es schwächeln die Muskeln, das Herz und die Nieren. Gegen den routinemäßigen Gebrauch von Abführmitteln spricht vor allem seine Überflüssigkeit. Nach gründlicher Darmentleerung ist für die nächsten zwei bis drei Tage kein weiterer Stuhlgang zu erwarten.

Natürliche Verdauungshilfe

Milchzucker ist ein Bestandteil der Milch und wird aus Molke in konzentrierter Form gewonnen. Er gilt als natürliche Verdauungshilfe, denn er sorgt für eine intakte Darmflora und stärkt so die natürlichen Abwehrkräfte. Bei bestehenden Verdauungsproblemen trägt er dazu bei, die normale Darmfunktion wieder herzustellen.

Der neutrale Geschmack von Milchzucker erlaubt eine vielseitige Verwendung in zahlreichen Speisen und Getränken. Da reiner Milchzucker vollständig als Kohlenhydrat verstoffwechselt wird, müssen Diabetiker ihn bei der Berechnung der Broteinheiten berücksichtigen. Milchzucker in Arzneibuchqualität bekommen Sie in Ihrer Apotheke.

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