Verstopfung: Freispruch für die Schokolade

Flüssige Schokolade in einer Schüssel

Mal nicht müssen können. Das kennen viele. Die meisten schieben ihre Beschwerden auf die Ernährung. Doch mitunter steckt eine Erkrankung oder sogar Medikamente dahinter, die den Darm träge machen.

Manche machen es ein- bis zweimal am Tag. Andere nur zweimal in der Woche. »Und wie oft haben Sie Stuhlgang?« Mit dieser Frage sorgte Privatdozent Dr. Ralf-Marco Liehr für Schmunzeln in dem großen Saal des Kurhauses im Südtiroler Meran. Hunderte Apotheker und anwesende Journalisten grübelten darüber nach, wie oft sie eigentlich müssen müssen.

Ein weit verbreitetes Leiden

Der Gastroenterologe und Direktor der Klinik für Innere Medizin am Vivantes Humboldt-Klinikum, Berlin, beruhigte den Saal: »Von drei Mal am Tag bis dreimal wöchentlich reicht die ›normale‹ Bandbreite.« Doch wie sieht es aus, wenn man muss, aber nichts oder nur sehr schwer etwas kommt?

»Verstopfung ist ein häufiges Problem«, weiß Liehr. Schätzungen gehen davon aus, dass 15 Prozent der Frauen und 5 Prozent der Männer regelmäßig darunter leiden. Städter trifft es seltener als Menschen auf dem Lande. Übergewichtige nicht häufiger als Normalgewichtige.

Mit dem Alter steigt das Verstopfungsrisiko

Offen gesprochen wird selten darüber. Liehr: »Deswegen ist es nicht einfach, zuverlässige Zahlen zu bekommen.« Eines wissen die Mediziner aus ihrer Praxis: Mit steigendem Lebensalter nehmen die Probleme zu. Experten haben Kriterien aufgestellt, ab wann eine Verstopfung chronisch auftritt. Wenigstens zwei der folgenden Symptome müssen für mindestens drei Monate auftreten:

  • Heftiges Pressen bei mindestens jedem vierten Stuhlgang.
  • Knollige oder harte Stühle bei mindestens jedem vierten Stuhlgang.
  • Gefühl der nicht kompletten Darmentleerung bei mindestens jedem vierten Stuhlgang.
  • Gefühl der analen Blockierung bei mindestens jedem vierten Stuhlgang.
  • Manuelle Manöver, um den Stuhl zu entleeren bei mindestens jedem vierten Stuhlgang.
  • Zwei oder weniger Darmentleerungen pro Woche.

In diesen Fällen raten Experten wie Liehr unbedingt dazu, einen Arzt aufzusuchen. Es gibt mitunter ernste Ursachen für eine Verstopfung. So machen manche Erkrankungen, aber auch bestimmte Medikamente den Darm träge. Deswegen fragt Liehr seine Patienten zum Beispiel nach Schilddrüsenleiden oder Diabetes.

Beides wirkt sich auf die Verdauung aus. Viele Frauen klagen in der Schwangerschaft oder in der zweiten Zyklushälfte über Verstopfung. Bei den Medikamenten spielen als mögliche Auslöser Schmerzmittel aus der Gruppe der Opiate, Blutdrucksenker aus der Klasse der Kalziumantagonisten und Antazida eine wichtige Rolle. Letztere bekämpfen Sodbrennen, indem sie Magensäure binden.

Deutliche Alarmsignale

Liehr empfahl während seines Vortrages, dringend auf Alarmsymptome zu achten. Hierzu zählen akute und neu auftretende Verstopfungen. Auch wer Blut im Stuhl bemerkt, unter Fieber, Übelkeit, Erbrechen oder Gewichtsverlust leidet, sollte unbedingt einen Arzt aufsuchen. »In der Praxis ist die körperliche Untersuchung ein ganz wesentlicher Aspekt.« So lässt er seine Patienten ›pressen‹, um Hämorrhoiden auf die Spur zu kommen und den Beckenboden und die Bauchdeckenmuskulatur zu untersuchen.

Hinzu kommen Blutuntersuchungen, um zum Beispiel den Status der Schilddrüsenhormone zu klären. Wichtig: ein Stuhlprotokoll. Dort notieren die Patienten, wann, wie lange und unter welchen Umständen sie die Toilette aufsuchen. »Ich finde dabei heraus, ob sie überhaupt die Möglichkeit haben, in Ruhe auf die Toilette zu gehen.« Denn oft werde einfach die Pause für den Toilettengang vergessen.

Ballaststoffe aus der Apotheke

Allein der Rat, viel zu trinken, hilft dem Darm nicht weiter. Zu Beginn der Behandlung erhöht Liehr den Ballaststoffanteil der Nahrung auf 30 Gramm am Tag. Gut eignet sich Weizenkleie oder der indische Flohsamen. Entsprechende Produkte bietet die Apotheke an.

»Nicht jeder profitiert jedoch gleich gut von Ballaststoffen«, weiß Liehr Dies gilt vor allem für Patienten, bei denen organische Ursachen im Darm und After eine Rolle spielen. Führen Ballaststoffe nicht zum Ziel, stehen Präparate zur Verfügung, sogenannte Laxanzien.

Im Patientengespräch räumt Liehr auch mit Mythen auf. »Dass Schokolade verstopfend wirkt, morgendlicher Kaffeekonsum oder die ›Verdauungszigarette‹ abführend, ist wissenschaftlich nicht belegt.« Und auch hinsichtlich einer großen Sorge kann er seine Patienten beruhigen: Innerlich vergiften kann man sich durch eine Verstopfung nicht.

Quelle: Neue Apotheken Illustrierte, 15.10.2011

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