Kabel anschließen, 20 Minuten üben, gesunde Ernährung, weg sind die Fett-Pölsterchen am Bauch. Hört sich einfach an? Ist es! Mit dem EMS-Training gibt es eine Methode, mit der man Muskeln so gezielt trainieren kann, dass auch gefährliches Fett am Bauch verschwindet.
Unsere Experten:
Marta Markowicz, Chirurgin und Expertin für Fettstoffwechsel, München
Peter Benckendorff, Orthopäde und Sportmediziner, Hamburg
Endlich ein flacher Bauch
Sie konnte machen, was sie wollte: Fahrrad fahren, mit Hanteln trainieren, beim Zumba schwitzen, sich nur von Salat ernähren. „Die kleinen Röllchen am Bauch hielten sich einfach hartnäckig“, erinnert sich Brigitte Warkotsch, die ansonsten eigentlich zufrieden mit ihrer Figur war. Auch ihre Zumba-Trainerin machte ihr wenig Hoffnung. „Nur am Bauch abnehmen und der Rest bleibt, wie er ist? Das ist unmöglich, erklärte sie mir.“
Und doch, heute wirkt die 66-jährige Hamburgerin viel schlanker, die kleinen Röllchen sind verschwunden, der Bauch sieht auch im engen Pulli flach und straff aus. Und schon oft haben Freundinnen und auch ihre Zumba-Trainerin neidisch gefragt: Wie hast du das bloß gemacht? Brigitte Warkotschs kleines Geheimnis heißt EMS. Die Abkürzung steht für elektronische Muskelstimulation.
„Das Training selbst ist gewöhnungsbedürftig“, beschreibt die Rentnerin. „Man muss sich dafür in einem speziellen Studio in eine hautenge Weste und Hose zwängen, die jeweils mit vielen Elektroden versehen sind.“ Sobald die Trainerin das 20-minütige Programm startet, beginnt es an Bauch, Beinen und Po zu kribbeln, das der leichte Reizstrom alle vier Sekunden auslöst. „Sofort spüre ich, wie sich meine Muskeln im ganzen Körper leicht anspannen“, erklärt Brigitte Warkotsch. Und wenn sie dazu noch in die Knie geht oder Bauchübungen macht, verstärkt sich der Effekt enorm.
Nach zwanzig Minuten ist es geschafft – und sie fühlt sich, als hätte sie zwei Stunden trainiert. „Aber die Mühe lohnt sich“, sagt die Hamburgerin und greift sich in die Taille. „Alles ist fest und nichts schwabbelt.“
Muskeln gezielt trainieren
Nicht nur Brigitte Warkotsch ist von der neuen Methode überzeugt. Auch Experten bescheinigen dem EMS-Training, was alle Bauch-weg-Methoden zuvor nicht schafften: Es kann Muskeln am Bauch gezielt aufbauen und gleichzeitig dort das Fett abschmelzen.
Die Sportwissenschaftlerin Wiebke Dettmann zum Beispiel hat unzählige Bauch-weg-Methoden unter die Lupe genommen, etwa Bauch-weg-Gürtel, Vakuum-Massage-Geräte, Hypoxi-Trainer. Ihr Fazit: „Je lauter eine bestimmte Methode oder gar einzelne Geräte auf Shopping-Kanälen im TV damit werben, dass sie Problemzonen modellieren, umso eher kann man davon ausgehen, dass sie nicht wirken.“
Bei einigen Methoden aber, so Dettmann, gibt es gute Belege, dass sie helfen. Allerdings funktionieren auch sie nur, und das sagt sie mit Nachdruck, wenn man gleichzeitig weniger Kalorien isst, als man verbrennt. Erst dann macht es Sinn, die Muskeln am Bauch ganz gezielt zu trainieren, um Fett abzubauen.
Dabei helfen können laut Dettmann gute Methoden wie das TRX-Training, also Übungen, bei denen man Arme und Beine in Schlingen einhängt, sowie Übungen auf Vibrationsplatten und mit Thera-Bändern. „Eine der besten Methoden überhaupt scheint das EMS-Training zu sein“, sagt Dettmann. Das belegen Studien, zum Beispiel an der Sporthochschule Köln und an der Universität Bayreuth.
Bauchfett gefährdet die Gesundheit
Auch die Chirurgin Marta Markowicz, die viele Jahre an der Universität Aachen den Fettstoffwechsel erforscht hat, bestätigt: „Diese Trainingsmethode kann tatsächlich helfen, Fett am Bauch gezielt zu reduzieren.“ Als Ärztin weiß sie, dass es dafür nicht nur kosmetische Gründe gibt. „Denn zu viel Bauchfett gefährdet die Gesundheit enorm“, warnt sie. Während Fett, etwa an Oberschenkeln oder Po, aus medizinischer Sicht völlig harmlos ist, wirkt das Fett am Bauch wie eine kleine biochemische Fabrik, die zwar in kleinen Mengen, aber ständig schädliche Substanzen produziert.
Zum Beispiel das Hormon Östrogen. Zu viel davon hat bei Männern den unschönen Effekt, dass ihnen Brüste wachsen. Noch viel gefährlicher aber ist: „Der Körper wird durch das Östrogen anfälliger für bestimmte Krebsarten wie Brust- oder Darmkrebs.“ Darüber hinaus produziert Bauchfett Interleukin 6, einen Entzündungsstoff, der das Verkalken der Arterien fördert und damit auch erheblich das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht.
EMS wirkt bei Bauchfett
„Unterscheiden muss man zwischen der äußeren Fettschicht, die direkt über den Muskeln liegt, und der inneren Fettschicht, welche die Organe umgibt. EMS wirkt sehr gut auf die äußere Fettschicht“, erklärt Markowicz. Dort legen vor allem Frauen ihre Fett-Reserven an.
Wieso EMS gerade hier so gut wirkt, ist wissenschaftlich noch nicht ganz geklärt. Experten vermuten, dass diese Fettschicht über feinste Blutgefäße direkt mit den darunter liegenden Muskeln verbunden ist, der Weg vom Fettspeicher zum Verbrennungsort in den Muskeln also sehr kurz ist.
Doch auch gegen das innere Bauchfett, das verstärkt die gefährlichen Entzündungsstoffe und Hormone bildet und in das vor allem Männer ihre Extrakalorien speichern, wirkt EMS.
Allerdings nur indirekt. Das heißt, erst wenn die äußeren Schichten nennenswert abgeschmolzen sind, greift der Körper auf die inneren Reserven zu und beginnt auch diese zu verbrennen.
Doch wie flach muss der Bauch eigentlich sein, um die Gesundheit nicht zu gefährden?
„Das kann jeder ganz schnell mit einem Maßband messen“, sagt Marta Markowicz. „Dann einfach den Umfang von Taille durch den Umfang der Hüfte teilen. Bei Frauen sollte das Ergebnis unter 0,8 liegen und bei Männern unter 0,9.“ Ab 0,85 bei Frauen und 1,0 bei Männern sprechen Ärzte schon von einem erheblich erhöhten Gesundheitsrisiko durch zu viel Fett am Bauch.
Brigitte Warkotschs Bauchumfang ist dank des EMS-Trainings inzwischen um drei Zentimeter geschmolzen, von 81 auf 78. Und nicht nur das. „Auch meine Osteoporose hat sich messbar verbessert.“
EMS in der Medizin
Ein Effekt, der den Sportarzt und Orthopäden Dr. Peter Benckendorff überhaupt nicht wundert. „EMS wird schon seit über 30 Jahren in der Medizin eingesetzt, bevor man es vor kurzem auch als Fitness-Training entdeckte.“
Medizinisches EMS hilft beispielsweise, um
- schlaffe Muskeln nach Arm- oder Beinbrüchen wieder zu stärken;
- verkrampfte Muskeln zu lösen;
- einseitig stark belasteten Muskeln entgegenzuwirken;
- Haltungsschäden zum Beispiel durch viel Sitzen auszugleichen
- und auch um altersbedingten Muskelschwund aufzuhalten.
Sogar nach Schlaganfällen hilft EMS Menschen, schneller wieder auf die Beine zu kommen.
Das beste Beispiel dafür ist der Orthopäde Benckendorff selbst. Vor rund zwei Jahren lag er nach einem Schlaganfall für sechs Monate im Krankenhaus. „Auch wenn ich es als Arzt wusste, wie schnell der Körper Muskeln verliert, wenn man sich nicht bewegt“, sagt Benckendorff, „war ich doch erstaunt, es am eigenen Leib zu erleben.“
Zwar hatte der renommierte Sportmediziner, der unter anderem die Klitschko-Brüder und die Fußballer vom FC St. Pauli betreute und heute noch den 100-Meter-Weltrekordler Usain Bolt berät, noch nie Probleme mit zu viel Fett am Bauch, aber durch die lange Bettruhe waren kaum noch Bauchmuskeln vorhanden. Als Benckendorff wieder aufstehen durfte, versuchte er, dem Muskelschwund mit klassischen Übungen, beispielsweise mit Gymnastik, beizukommen.
Auch an den typischen Kraft-Geräten im Fitness-Studio trainierte er. Doch die Muskeln blieben schwach. „Erst als ich mit dem EMS-Training begann, baute sich meine Muskulatur wieder auf. Seit Sommer 2012 geht der 69-Jährige deshalb dreimal die Woche ins EMS-Studio 25Minutes. Bald möchte er das Training aber auf einmal die Woche reduzieren. „Die Methode ist so effektiv, dass das dann reicht, um die neu aufgebaute Muskulatur zu konservieren“, sagt der Sportmediziner erleichtert.
Teure Methode
Allerdings hat diese Effektivität einen stolzen Preis. Wer in einem der etwa 1700 Studios in Deutschland trainieren will, zahlt einen Monatsbeitrag von rund 110 Euro und darf dafür zwei Mal pro Woche je 20 Minuten trainieren. Alternativ gibt es Zehnerkarten für etwa 300 Euro. Zugutehalten muss man dem Prinzip, dass jede Einheit individuell ein Personal-Trainer betreut und man in nur 40 Minuten pro Woche tolle Erfolge erzielen kann.
So wie Marco Dührkopp. Der 45-Jährige träumte viele Jahre von einem muskulösen, schön definierten flachen Bauch. „Dafür habe ich schon immer viel Zeit in Fitnessstudios verbracht und mehrere Triathlons absolviert. Aber ein Sixpack? Das habe ich erst mit EMS geschafft.“
So funktioniert EMS
Für das Training trägt man speziell Jacken und Hosen, in die Elektroden eingelassen sind, direkt auf der Haut. Durch diese Elektrode wird im Rhythmus von etwa 4 Sekunden ein milder Reizstrom geleitet, der dafür sorgt, dass sich nahezu alle Muskeln im Körper leicht anspannen.
Ist Ihr Bauch zu dick?
Die Antwort kann jeder selbst feststellen – einfach messen. Dann den Umfang der Taille durch den Umfang der Hüfte teilen:
Das Ergebnis (Quotient) zeigt, ob zu viel gefährliches Bauchfett vorhanden ist:
– Bei Frauen sollte der Wert unter 0,85 liegen,
– bei Männern unter 1,0.
Autor: Holger Schöttelndreier
Quelle: plus Magazin 2/2014
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